"Glücklich, wer mit den
 Verhältnissen zu brechen
 versteht, ehe sie ihn
 gebrochen haben."

 Franz von Liszt



Klageverfahren können in mehreren Rechtsgebieten geführt werden:

Ist eine Schutzvorkehrung gegen Immissionen - insbesondere bei einer genehmigungsbedürftigen Anlage (vgl. § 15 BImSchG) - genehmigungsbedürftig, so schließt dies grundsätzlich die zivilrechtliche Verurteilung des Störers zu Abwehrmaßnahmen nicht aus (BGH, Urt. v. 18. November 1994 - V ZR 98/93).



Verbot der Haltung mehrerer Bienenvölker gegen einen Hobby-Imker wegen einer Nachbarin mit Bienenallergie:

Aufgrund des „Instituts" des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses und unter Berücksichtigung der Allergie gegen Bienengift besteht ein Beseitungsanspruch bezogen auf die Bienenstöcke gegen den Imker. ... Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Pflicht zu gesteigerter Rücksichtnahme, die in Ausnahmefällen dazu führen kann, daß die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzu- lässig wird....Der Beklagte hat auf die Besonderheit der Klägerin zu achten. ... Sie kann nicht darauf verwiesen werden, einen gelegentlichen Bienenstich zu riskieren, die Herkunft des Tieres nachzuweisen und anschließend konkret einen etwa eingetretenen Schaden geltend zu machen.. Bereits wegen dieser Haftungslage und der Gefährdung, ... ist die Unterlassungsklage gerechtfertigt. Abgesehen davon, daß er im Falle eines Bienenstiches ... der Klägeren bzw. deren Hinterbliebenen schadenersatzpflichtig wäre, stünde der Beklagte im Übrigen unter dem ständigen Risiko erheblicher Bestrafung. (OLG Bamberg, AZ: 4 U 15/91).



Kündigung und Tierhalteverbot wegen Allergikern:

Leidet ein Mieter an einer Allergie gegen Katzenhaare, so darf der Vermieter den anderen Mietern eines Hauses Katzenhaltung ganz untersagen (AG Köln, AZ 219 C 565/87) - Ist eine Mieterin gegen Hundehaare allergisch und schafft sich ein anderer Mieter einen Hund an, so darf ihm gekündigt werden und auch eine Räumungsklage erfolgen (LG Hildesheim, AZ 7 S 226/01).



Anspruch des Mieters auf Bau eines Behindertenlifts:

Ein Mann bewohnte eine Wohnung im zweiten Obergeschoss eines Mietshauses zusammen mit seiner behinderten Lebensgefährtin, die ständig auf einen Rollstuhl angewiesen war. Da kein Aufzug in dem Haus vorhanden war, musste er seine Lebenspartnerin immer zwei Stockwerke durch das Treppenhaus tragen. Er bat deshalb seinen Vermieter, dem Einbau eines Behindertenaufzugs im Treppenhaus des Hauses zuzustimmen. Obwohl sich der Mieter bereit erklärt hatte, sämtliche Kosten des Lifts zu tragen und diesen bei seinem Auszug auch wieder zu beseitigen, lehnte der Vermieter das Verlangen ab. Das in der Sache angerufene Landgericht gab dem Vermieter Recht. Der Mieter legte daraufhin gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde ein. Die Bundesverfassungsrichter beanstandeten die landgerichtliche Entscheidung unter mehreren Gesichtspunkten. Mietgerichte müssen bei derartigen Fällen zwischen den eigentumsrechtlich geschützten Interessen des Vermieters an der unveränderten Erhaltung des Treppenhauses einerseits und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung anderseits abwägen. Eine solche Abwägung hatten die Richter am Landgericht jedoch überhaupt nicht vorgenommen. Außerdem muss sich ein Mieter nicht darauf verweisen lassen, dass es auf dem Wohnungsmarkt ausreichend behindertengerechte Wohnungen gibt. Ferner hätte das Landgericht zu prüfen gehabt, ob dem Verlangen des Mieters nicht mit der Auflage hätte entsprochen werden können, dass der Vermieter vom Mieter von sämtlichen Haftungsrisiken, die von einem Behindertenlift ausgingen, freigestellt wird. Außerdem wäre zu klären gewesen, inwieweit der Lifteinbau die Benutzung des Treppenhauses nur noch unter erschwerten Bedingungen ermöglicht hätte. Das Bundesverfassungsgericht hob daraufhin das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Die Richter am Landgericht müssen nunmehr unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze über den Streit neu verhandeln und entscheiden. Unerheblich für das Bundesverfassungsgericht war übrigens, dass der Mieter und Kläger nicht selbst behindert war, da ihm das Recht zustand, seine (behinderte) Lebenspartnerin in die Wohnung aufzunehmen. Er war daher berechtigt, den Anspruch auf behindertengerechten Ausbau des Hauses im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. (Beschluss des BVerfG vom 28.03.2000, 1 BvR 1460/99, RdW Heft 9/2000, Seite III, NJW Heft 19/2000, Seite VII, ZMR 2000, 435).



Eine Rollstuhlrampe für die Überwindung von Treppen, muß von den Nachbarn eines Mehrfamilienhauses geduldet werden:

Aufgrund der Erleichterung der ohnehin schon eingeschränkten Mobilität eines Rollstuhlfahrers müssen architektonisch-ästhetische Gesichtspunkte dabei in den Hintergrund treten (AG Dortmund; 139 II 84/93 - LG Dortmund; 9 T).



Notwehr, Selbsthilfe:

Ein Nachbar ist nicht schadenersatzpflichtig, wenn er durch eine lautstarke Rock-Musikveranstaltung gestört wird, den Veranstalter abgemahnt hat und danach die Lautsprecherzuleitungen einer Musikanlage durchtrennt. Die behördliche Genehmigung der Veranstaltung nach gemeindlichem Ordnungsrecht hat keinen Einfluß auf die Notwehrrechte des Betroffenen (OLG Karlsruhe, Az: ) - s. auch oben.



Einbau einer Dunstabzugshaube:

Hobbyköche müssen zum Schutze ihrer Nachbarn Dunstabzugshauben über dem Herd montieren. Ein Mann hatte gegen seinen Nachbarn geklagt, weil dieser gerne und viel koche und sich die Essensdüfte sodann in Gardinen und Bettwäsche der nachbarlichen Wohnung festsetzten. Die Richter am Oberlandesgericht Köln verurteilten daraufhin den Hobbykoch zum Einbau einer Dunstabzugshaube. Küchengerüche stellten eine Belästigung dar und seien nur dann hinzunehmen, wenn keine lästigen Verbrennungsdämpfe entstünden und nicht zu ungewöhnlichen Zeiten gekocht werde (OLG Köln 1998-05-12, 16 WX 67/97).



Grillen auf dem Balkon (bei gesunden Nachbarn):

In einem Mehrfamilienhaus darf auf Balkon (oder Terrasse ) nur einmal im Monat gegrillt werden. Dies muß dem Nachbarn 48 Stunden vorher angekündigt werden. Dieser Rechtsspruch beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Danach kann das Grillen im Freien nicht gänzlich verboten werden, da es als sozialüblich anerkannt gilt. Andererseits darf der Betroffene nicht zu oft den durch das Grillen drohenden Geruchsbeeinträchtigungen ausgesetzt werden. Um sich auf die Geruchsbelästigung einstellen zu können (z.B. durch Schließen der Fenster), ist eine rechtzeitige Ankündigung erforderlich (AG Bonn, Urt. v. 29.4.199, Az: 6 C 545/96).



Grillen in einer Eigentumswohnungsanlage:

kann wirksam durch Beschluß der Eigentümerversammlung mit einer Hausordnung ganz verboten werden. Auch bei einem gasbetriebenen Grillgerät ist die Verbreitung des Geruchs der darauf gegarten Lebensmittel nicht zu vermeiden. Dies stellt eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer dar, die insbesondere bei ungünstigen Windverhältnissen ihre Fenster und Balkontüren geschlossen halten müssen, damit dieser Geruch nicht in ihre Wohungen dringt und sich darin festsetzt (OLG Zweibrücken, 3 W 50/93).



Küchendüfte müssen gesteuert werden:

Übermäßige Küchendüfte müssen von Besitzern von Eigentumswohnungen so "gesteuert" werden, daß sie andere Bewohner der Anlage nicht stören, auch wenn sie normalerweise als "ortsüblich" angesehen werden können. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gelten insoweit andere Regeln als im allgemeinen Nachbarrecht(OLG Köln, 16 Wx 67/97).



Dringt der beim Grillen entstehende Qualm in die Wohnung der Nachbarn ein (bei gesunden Nachbarn):

so stellt dies eine erhebliche Belästigung dar. Hinzunehmen sind vom Nachbarn hingegen die mit einem Fest einhergehenden Geräusche, die einen gewissen Grad jedoch nicht übersteigen dürfen. Findet der Nachbar selbst dann keine Nachtruhe, wenn er die Fenster schließt, liegt eine Lärmbelästigung (OLG Düssseldorf, Beschl. v. 26.5.1995, Az: 5 Ss-Owi 149/95 - OVG, LG, AZ auf Anfrage). Dringt Qualm eines Holzkohlegrills ins offenstehende Fenster des Nachbarn: Bußgeld (OLG, AZ auf Anfrage).



Fest einschränken oder zahlen:

Die Belästigung der Mitmieter kann mit Geldbuße geahndet werden. Mieter, die im Garten ihres Mehrfamilienhauses grillen und bis spät in die Nacht lautstark feiern, können mit einer Geldbuße belegt werden (hier: in Höhe von 200 Mark), wenn sie trotz Beschwerden der übrigen Mieter (hier: unter anderem wegen Würstchen-Dufts, der in die Wohnungen zieht) ihre Feier nicht einschränken oder abbrechen. (OLG, AZ auf Anfrage).



Wesentliche Beeinträchtigung durch von gebrauchten Bahnschwellen abgegebene chem. Gase:

Aufgrund eines Sachverständigengutachtens mußte der Grundstücksbesitzer die aus alten Bahnschwellen bestehende Grundstückseinfriedung beseitigen (OLG Köln, Natur&Recht, 1996, 31)



Nachbarschaftliche Beeinträchtigung wegen Wasserstaub als Transportmittel für Schadstoffe (z.B. Planzenschutzmittel):

Die Einwirkung fällt unter § 906 BGB. (BGH, NJW 1984, 2207).



Körperschall durch Kindergetrampel (Schallschutz bei Parkettboden):

Eltern müssen dafür Sorge tragen, daß ihre Kinder nicht zu laut sind. Lassen Eltern in ihrer Eigentumswohnung Parkettboden verlegen, so müssen sie im Interesse der darunter wohnenden Eigentümer dafür sorgen, daß die Kinder nicht lauter trampeln, stampfen, springen und hüpfen, wie das bei einem geordneten Zusammenleben soeben noch hinzunehmen ist (Bayerisches Oberstes Landesgericht, 2Z BR 113/93). Anmerkung der AgRuD: Dies dürfte dann auch für Erwachsene gelten.



Geruchsbelästigung durch Haustiere, Mülltüten, Kochgerüche gegenüber Gesunden:

Verursacht ein Haustier extreme Geruchsbelästigung, kann dessen Halter fristlos gekündigt werden (LG, AZ auf Anfrage). Kommt aus einer Wohnung ein solch extremer Gestank, daß man das Treppenhaus nicht mehr betreten kann, fliegt der Verursacher fristlos (AG, AZ auf Anfrage). Niemand muß es hinnehmen, wenn ein Nachbar seine Mülltüten im Treppenhaus abstellt. Helfen Mahnungen nicht, kann der Müllsünder verklagt werden (OLG AZ auf Anfrage). Normalerweise muß eine ortsübliche Tierhaltung hingenommen werden. Haushaltsübliche Kochgerüche bis ins Treppenhaus (Mietshaus) müssen hingenommen werden (AG, AZ auf Anfrage).



Musiklärm:

Wer wiederholt und nicht nur tagsüber durch Musiklärm seinen Nachbarn stört, muß bis zu 1000 DM Schmerzensgeld zahlen.(AG, AZ auf Anfrage).



Feiern:

Es gibt kein allgemeines Recht, einmal im Monat die Nachtruhe der Nachbarn stören zu dürfen (OLG Düsseldorf, WM 96, 116). In jedem Falle sollte man, wenn man Feste feiern möchte, vorher mit seinen Nachbarn sprechen. Die beste Lösung wäre natürlich, man lädt sie mit ein!



Fristlose Kündigung wegen Schimmelpilz:

Schimmelpilze, die sich in erheblichem Umfang an den Wänden befinden, berechtigen den Mieter zur fristlosen Kündigung. Eine fristlose Kündigung ist immer dann möglich, wenn die Wohnung so beschaffen ist, daß die Benutzung zu einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit führen kann (AG, AZ auf Anfrage).



Mietvertrag, Kündigung wegen Schadstoffbelastung:

Lindan, PCP, Formaldehyd - früher wurde in Wohnungen bedenkenlos alles verspritzt, was die Chemie hergab. Manchmal stellt sich erst Jahre nach dem Einzug heraus, daß Schwindelanfälle, Konzentrationsstörungen oder Dauererkrankungen womöglich mit der Schadstoffbelastung der Mietwohnung zu tun haben. Wer als Mieter hier vernünftigerweise einen Zusammenhang sieht, darf den Mietvertrag fristlos kündigen und zwar auch dann, wenn nicht bewiesen oder beweisbar ist, daß die Gesundheitsprobleme tatsächlich auf die Schadstoffe zurückzuführen sind. Und auch wer noch gesund ist, kann fristlos kündigen, wenn es vernünftige Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung gibt (LG Lübeck, Az: 14 S 135/97).



Wohnungskauf, Verkäuferpflichten:

Endlich können Sie in Ihre neue Eigentumswohnung einziehen. Nur stellt sich bei der ersten Gelegenheit leider heraus, daß die anderen Eigentümer schon lange völlig zerstritten sind. Und auch Sie werden, ob Sie wollen oder nicht, in diesen Streit hineingezogen. Hätte der Verkäufer Sie auf den Streit aufmerksam machen müssen? Ja, meint das Gericht, sofern erkennbar war, daß der Streit auch für Sie gravierende Auswirkungen haben würde. Kommt der Verkäufer dieser Hinweispflicht nicht nach, kann der Käufer nach der Entscheidung den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (OLG, AZ auf Anfrage).



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© 2016 - Aktion Patientensicherheit und Antidiskriminierung, Bayreuth -
Heinz A. Guth, Mitglied des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V.


Rücksichtnahme senkt die Kosten im Gesundheitswesen!